MARGARETE HANNSMANN: Drei Tage in C.

Neben einem ersten Gedichtbändchen ist der kleine Roman DREI TAGE IN C. (1965) Margarete Hannsmanns erste selbständige Veröffentlichung. Die Autorin (1921–2007) verstand sich lebenslang als Dichterin, Gedichtbände nehmen den größten Raum ihrer Veröffentlichungen ein. Ihre (autobiographisch begründeten) Prosaarbeiten gelten offenbar noch immer eher als Nebenprodukte. Jetzt, nach ihrem Tod, mit dem Überblick über Leben und Werk, wäre es angemessen, sie auch als Prosaautorin zu entdecken. DREI TAGE IN C. ist einer der ersten frühen schriftstellerischen Versuche einer persönlichen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit.

Gegenüber dem späteren vielfältigen Werk Margarete Hannsmanns bedeutet dieser Roman etwas Singuläres: es ist einfache erzählende Prosa – aber Prosa einer Dichterin! Das lebt in Bildern, Assoziationen, Zusammenklängen, Dissonanzen, in Rhythmen und Brüchen, theatergerechten Szenen, innerem Monolog und Gesprächen mit den interessierten oder gelangweilten Kindern, – aufgeregt und nachdenklich in eins. Wortselig, oft wie skizziert oder aquarelliert verbindet die Autorin Bilder zu Collagen, schieben sich Assoziationen ineinander oder stehen dissonant gegeneinander; der gesamte Text ließe sich rezitieren, deklamieren, als Theaterstück aufführen. Dieser berichtende, erinnernde, erzählende, manchmal pathetische, assoziierende, über die Ufer tretende Text umspannt in Schichten und Blickwinkeln, die einander Satz für Satz durchdringen, fünfzig Jahre deutscher Geschichte, vom ersten Weltkrieg bis nach dem Mauerbau: wehmütig, dissonant, hautnah und ungreifbar. Letztlich gilt dies für Margaretes Lebenswerk insgesamt.

Die lebenslange Aufarbeitung der eigenen NS-Sozialisation, des ambivalenten Verhältnisses zum Elternhaus sowie der NS-Zeit insgesamt sollte ein roter Faden auch der Lebens- und Arbeitsgemeinschaft mit HAP Grieshaber werden. Zu ihrer Konsequenz wurde Margaretes unermüdliches praktisches, poetisches, publizistisches Engagement für Menschenrechte, Demokratie, gegen Gewalt und Umweltzerstörung. Gerade die nichtmenschliche Umwelt, die sogenannte Natur war von Kindheit an existentieller Lebensraum der Autorin – und wurde wohl, noch vor der Literatur, zum bedeutsamsten Heilmittel gegen die ideologische Zerstörung des NS; auch dies wird deutlich in DREI TAGE IN C.

Diese Ausgabe bei A+C ist seit Jahrzehnten die erste Wiederveröffentlichung eines Buches von Margarete Hannsmann. Sie erscheint aus Anlaß ihres hundertsten Geburtstags am 21. Februar 2021.

Ein biobibliografischer Anhang enthält neben einem Nachwort des Herausgebers (MvL) zwei Schulaufsätze von 1935 und 1936 sowie das Langgedicht „Ballade von der Kindheit“. Es folgen Auszüge aus Briefen an mich (MvL). – In den Auszügen aus einem Radiogespräch mit Franz Fühmann (1980) stellt Margarete Hannsmann wesentliche Aspekte ihres Lebensweges aus einem für ihre schriftlichen Äußerungen ungewöhnlichen Blickwinkel dar. Am Schluß des Anhangs steht eine Gesamtbibliographie der veröffentlichten Arbeiten Margarete Hannsmanns.

HIER ist der Link zur kostenlosen online-Veröffentlichung (pdf): https://autonomie-und-chaos.de/images/pdf/auc-138-hannsmann.pdf

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